Mit der Handykamera dem Schlaganfall vorbeugen

Vorhofflimmern ist eines der Hauptrisiken für einen Schlaganfall. Vorhofflimmern festzustellen ist allerdings problematisch. Das liegt in seinem unregelmäßigen Auftreten und dem Mangel an Symptomen. Wenn es kommt, dann ist man im Zweifelsfall nicht beim Arzt. Und wenn man beim Arzt ist, dann tritt es nicht auf. Wie also soll man Vorhofflimmern sicher feststellen?

Die zuständigen Fachgesellschaften empfehlen die regelmäßige Messung des eigenen Herzrhythmus zur Vorsorge.

Preventicus Heartbeats – die Messung

Eine tolle digitale Lösung dazu bietet die in Jena ansässige Preventicus GmbH mit ihrer App Heartbeats (Android-Link, iOS-Link). Die unter anderem vom Bundesverband Internetmedizin ausgezeichnete App ermöglicht es ihren Nutzern jederzeit – zum Beispiel wenn sie das Gefühl haben, sie könnte gerade ein Vorhofflimmern haben – mit Hilfe der Kamera des Smartphones ihren Herzrhythmus zu messen und aufzuzeichnen.

Dazu legt man seinen Finger bis zu fünf Minuten auf die Kameralinse des Smartphones. So wird die Pulskurve erfasst und der Herzrhythmus analysiert.

Dies soll bei normaler Raumtemperatur und normalen Lichtverhältnissen geschehen. Ferner soll das Gerät sich nicht im Ladezustand befinden beziehungsweise nicht ans Netzgerät angeschlossen sein.

Bei reduzierter Schmerzempfindung wird von einer Nutzung übrigens abgeraten!

Die App hilft vorbildlich mit Darstellungen, wie die Messung vorzunehmen ist, siehe Bild 1. Auch aktiv wird vor und während der Messung durch die Anzeige durch die Kameralinse, die durch den Finger und das Blitzlicht des Handys rot ausgefüllt sein soll, dem Nutzer dabei geholfen, siehe Bild 2.

Bild 1: richtige Fingerhaltung
Bild 2: Kontrollanzeige beim Messen
Man wählt zum Start eine Standardmessung von einer Minute Länge oder fünf Minuten für eine ausführliche Messung aus, siehe Bild 3. Über dem START-Schriftzug sieht man dann durch die Kameralinse und kann, wie vorher beschrieben, die richtige Position des kleinen Fingers, der für die Messung zu benutzen ist, prüfen (siehe Bild 4). Nach dem Start der Messung wird dann mit dem in Bild 5 dargestellten Kreis und der Anzeige der Restzeit die Dauer der Messung heruntergezählt (im Screenshot die Standardmessung von einer Minute Dauer). Dabei wird fortlaufend der Puls (49 im Screenshot) angezeigt. Auch die gemessene Signalqualität für die Messung wird fortlaufend im unteren Drittel des Bildschirms dargestellt.
Bild 3: Kernfunktionen der App
Bild 4: Startbildschirm der Messung
Bild 5: Anzeige während der Messung
Es gibt noch eine ausführliche Gebrauchsanweisung und sogar eine Liste der getesteten und freigegebenen Geräte von Preventicus. So nutzte ich bei meinem Test ein nicht freigegebenes iPhone XS, was die App feststellte und mich auch direkt warnte, dass dies Gerät nicht getestet sei.

In der sogenannten Zweckbestimmung der App steht, dass der der App zugrunde liegende Algorithmus mit einer Genauigkeit von über 96% Vorhofflimmern von regelmäßigem Herzrhythmus unterscheiden kann (abrufbaar über das Menü links oben, dargestellt durch die drei Striche, unter Rechtliches). Trotzdem handelt es sich bei der Interpretation der Messung durch die App natürlich nicht um eine Diagnose, sondern erst einmal um einen Verdacht, der noch erhärtet werden muss.

Die Auswertung

Die Messungen werden, wie in Bild 6, mit Messzeitpunkt und einer Ampelfarbe für die Interpretation des Ergebnisses gespeichert und übersichtlich in einer Liste untereinander dargestellt.

Bild 6: Übersicht Messungen
Bild 7: Interpretation
Bild 8: Bericht
Direkt nach der Messung wird dabei auf dem Bildschirm das Ergebnis in Textform ausgegeben, siehe Bild 7. Man sieht im Beispiel meiner Messung, dass zwar der Herzrhythmus in Ordnung ist (Ampelfarbe grün), aber der Puls – mit gelb ausgewiesen – auffällig war. Der Grund für die Ampelfarbe wird dabei gleich mit ausgegeben.

Die Messergebnisse selber (das ist eine Zickzackkurve) als auch die Interpretation des Ergebnisses können auf einer DIN A 4 quer Seite angesehen und ausgedruckt werden (Bild 8), sodass sie auch bequem zum Arzt mitgenommen werden können.

Die Kosten

Die App bietet einen kostenlosen sogenannten Vortest und man kann die Vollversion für 30 Minuten ausprobieren. Die Vollversion kostet aktuell (im August 2019) 5,49 € für einen Monat und 27,99 € für ein Jahr. Erst mit der Vollversion kann man regelmäßige Tests machen. Mit den Vortests bekommt man lediglich einen ersten Eindruck der Funktionsweise (und den Hinweis für eine genauere Messung die Vollversion zu kaufen).

Auffällige Werte beziehungsweise Ergebnisse können in der App automatisch an ein Telecare-Center übertragen und dort von Spezialisten für die schnelle Interpretation durch medizintechnische Mitarbeiter aufbereitet werden. Dies wird in der App mit einem Preis von 29,99 € angeboten. Den Mehrwert für diesen Preis kann ich nicht beurteilen, erscheint mir aber fraglich.

RhythmusLeben als weiterführende Diagnose bzw. Behandlung

In einem Gemeinschaftsprojekt namens RhythmusLeben wird die App zur frühzeitigen Erkennung von Auffälligkeiten bei Versicherten der IKK Südwest eingesetzt.

Sollte die Messung mit der Heartbeats App auffällige Werte ergeben haben, dann können sich Betroffene an einen am Programm teilnehmenden Kardiologen in ihrer Nähe wenden, der dann die Messungen intensiviert.

So bekommen sie ein bis zu 14 Tage lang zu tragendes, auf die Brust aufklebebares Telemetrisches EKG-System. Über die stetige Messung und Aufzeichnung der Daten können eine genaue Diagnose (zum Beispiel bezüglich der Stärke des Vorhofflimmerns) und eine darauf basierende Therapieempfehlung erstellt werden.

RhythmusLeben ist ein Gemeinschaftsprojekt von der Preventicus GmbH, der GWQ ServicePlus AG und der IKK Südwest. Es richtet sich an über 55-jährige Versicherte mit Risikokrankheiten wie zum Beispiel Bluthochdruck oder Diabetes sowie an über 65-jöhirge Versicherte. Damit soll das Schlaganfallrisiko bei Vorhhofflimmern um 75 Prozent reduziert werden!

Mein Fazit

Klasse, eine sehr hilfreiche App, wenn man von der angegebenen hohen Erkennungsrate für Vorhofflimmern ausgeht.

Diese Einschätzung gilt auch für Nutzer, die nicht bei der IKK Südwest versichert sind. Denn die Messung mit der App kann ja jeder durchführen und aufgrund der Warnhinweise der App dann zum Arzt gehen. Für jemanden, der keinen direkten Verdacht auf eine entsprechende Erkrankung hat, ist der Preis mit knapp 30 € im Jahr – für dann gelegentliche Messungen – aber durchaus hoch.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert